Zeilen- oder Wortpreis beim Übersetzen? Ein Vergleich

Read our English blogs here Kosten einer Übersetzung werden berechnet
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Wie werden die Kosten für eine Übersetzung realistisch berechnet? Diese Frage beschäftigt Unternehmen und Sprachdienstleister weltweit. Verschiedene Zählweisen von Seiten-, über Zeilen- bis zu Wortpreisen haben sich eingebürgert. Aber welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Methoden und wie gelingt eine einfache Umrechnung?

Ein Beitrag von Sarah, Übersetzerin und Texterin (kurz: Übertexterin)  

Unmengen an Texten wechseln Tag für Tag die Sprache. Vom Kundenanschreiben über Zeitungs- und Fachartikel bis hin zu Romanen und Gedichten. Die Aufzählung ist alles andere als vollständig und könnte beliebig fortgeführt werden. Allen Übersetzungen gemein ist, dass sich Auftraggeber und Übersetzer im Vorfeld auf einen Preis verständigen müssen. Doch woran macht man diesen eigentlich fest?

Zählung am Ausgangs- oder Zieltext?

Die Aufwandsberechnung für eine Übersetzung erfolgt normalerweise anhand des Quelltextes. Der Vorteil: Der Ausgangstext ist schon vorhanden, somit ist auch der Textumfang bekannt. Das ermöglicht eine genaue Voreinschätzung der Kosten, die bei einer Abrechnung nach Zieltext erst nach Abschluss der Übersetzung feststellbar wäre.

Wie berechnet man Kosten von Übersetzungen?

Zu Zeiten, als Übersetzer noch an der Schreibmaschine arbeiteten, rechnete man üblicherweise nach Normseite ab. Dabei wurde ihr Umfang Pi mal Daumen festgelegt. Wer heute nach Seite abrechnet, bestimmt den Umfang nicht mehr nach Augenmaß, sondern teilt die Summe der Wörter durch einen Standardwert. Dieser ist zwar nicht in Stein gemeißelt, dennoch wird ein üblicher Richtwert genommen. Er stammt von der VG Wort und beträgt 1.500 Zeichen pro Seite.

Die Abrechnung nach Normseite ist heute nur noch in bestimmten Bereichen gängig, z. B. im Verlagswesen, wo es um Literaturwerke oder Sachbücher geht. Hier kann von einer gleichbleibenden Komplexität und Textdichte ausgegangen werden. In allen anderen Fällen haben sich in Deutschland folgende zwei Methoden durchgesetzt:

  • Standardzeilen: Auch die Normzeile wurde schon zu Zeiten der Schreibmaschine verwendet. Über den Schieberegler ließ sich ihre Länge auf ca. 60 Zeichen einstellen. Heute entspricht die Normzeile am PC durchschnittlich 55 Anschlägen inklusive Leerzeichen. Soll der Zeilenpreis berechnet werden, wird die Zeichenzahl des Dokuments über ein Textbearbeitungsprogramm ermittelt und durch 55 geteilt.
  • Wortzahl: Die wohl verbreitetste Form ist die Abrechnung pro Wort. Die Zählung der Wörter erfolgt entweder über ein Programm zur Textbearbeitung wie Word oder über ein CAT-Tool (computer-aided translation), das auch gleich Wiederholungen und Überschneidungen ausfindig macht und anteilig berechnet.

Vor- und Nachteile von Wort- und Zeilenpreisen

Ob nach Zeilen- oder Wortpreis abgerechnet wird, hängt unter anderem von der bevorzugten Variante des Auftraggebers und der empfohlenen Methode des Sprachdienstleisters ab. So rechnen vor allem im öffentlichen Bereich viele Unternehmen nach Zeilenpreis ab. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu wahren, fordern sie daher von Übersetzern und Übersetzerinnen oft Informationen zu ihren Zeilenpreisen.

Verbreiteter und auf dem ersten Blick einfacher ist die Abrechnung nach Wörtern. Problematisch wird es, wenn die Übersetzung wesentlich länger als der Zieltext ausfällt. Das kann in folgenden Fällen passieren:

  • Je nach Fachgebiet sind die Ausgangstexte auf den ersten Blick kurz, haben es aber inhaltlich in sich. Das ist etwa bei medizinischen oder juristischen Texten der Fall, bei denen im Sinne einer lückenlosen Übertragung auch so mancher Begriff erläutert werden muss und nichts ausgelassen werden darf.
  • Bei sogenannten agglutinierenden Sprachen wie Türkisch, Finnisch oder Estnisch werden auch mal mehrere Informationen in einem Wort untergebracht, was zu längeren Übersetzungen führen kann.
  • Auch bei Komposita wie im Deutschen kann ein einzelnes Wort mehrere Informationen enthalten. Nehmen wir das Wort Rindfleisch­etikettierungs­überwachungs­aufgaben­übertragungs­gesetz. Dieses zugegeben überspitzte Beispiel zeigt, dass eine Abrechnung nach dem Ausgangstext zum Nachteil des Übersetzers ausfallen würde.

Umrechnungstabelle für Wort- und Zeilenpreise beim Übersetzen

Wenn der Auftraggeber einen Zeilenpreis wünscht oder sich nach den Konditionen pro Wort und Zeile erkundigt, hilft folgende Umrechnungstabelle weiter. Dafür haben wir die kontextor-Datenbank analysiert und Durchschnittswerte für unsere geläufigsten Arbeitssprachen anhand verschiedener Texte aus dem juristischen und wirtschaftlichen Bereich herangezogen.

Ausgangssprache Durchschnittliche Wortlänge in Zeichen
Deutsch 5,83
Englisch 5,33
Französisch 5,47
Spanisch 5,37
Italienisch 5,79
Polnisch 6,56

Die Formel für die Umrechnung lautet: Wortzahl mal durchschnittliche Wortlänge geteilt durch Zeichen pro Standardzeile (55). Ein Text mit 600 Wörtern, der aus dem Englischen übersetzt werden soll, hat also

600 Wörter x 5,33 Zeichen pro Wort / 55 Zeichen pro Zeile = 58 Zeilen.

Weitere Faktoren für die Preisfindung bei Übersetzungen

Es zeigt sich, dass die durchschnittliche Wortlänge in allen untersuchten Sprachen relativ ähnlich ist. Einzig das Polnische reißt mit 6,56 Zeichen pro Wort etwas nach oben aus. Für eine realistische Einschätzung der Kosten einer Übersetzung ist die Länge des Textes allein aber nicht aussagekräftig. Denn für Dauer und Aufwand einer Übersetzung maßgeblich ist nicht allein die Länge des Textes, sondern seine Komplexität.

Wer viele Fakten überprüfen, rechtliche oder technische Sachverhalte korrekt in die Zielsprache übertragen oder sich schlicht mit Wortungetümen wie dem oben erwähnten Rindfleisch­etikettierungs­überwachungs­aufgaben­übertragungs­gesetz auseinandersetzen muss, braucht mehr Zeit. Entsprechend gibt es oftmals unterschiedliche Wort- oder Zeilenpreise je nach Schwierigkeitsgrad des Ausgangstextes.

Die genauen Konditionen im Vorfeld klar zu kommunizieren ist übrigens die wichtigste Vorarbeit für eine gelungene Übersetzung. Denn nur so wissen beide Seiten, womit sie rechnen müssen.