Zwischen Like und Hate – Kommunikation im Social Media-Zeitalter

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„Hört ihr euch eigentlich selbst reden?“

„Ihr habt doch nix im Hirn.“

„Du bist so hässlich, wie du dumm bist.“

„Wen denkt ihr, könnt ihr mit dem Sch… überzeugen?“

Leicht abgemildert waren das in etwa einige der Kommentare, die ich unter einem Artikel gefunden habe, den ich vor einiger Zeit für einen Kunden verfasst habe. Für den Beitrag hatte ich umfassend recherchiert und ihn verschiedenen Fachkundigen zum Lektorat vorgelegt. Ich war also entsprechend schockiert, als ich die Bemerkungen einiger Leser entdeckte.

Ein Beitrag von Eva-Maria, Texterin, Autorin und Freundin aufrichtiger Kommunikation.

Beleidigungen sind an der Tagesordnung

Wer redaktionell im Internet unterwegs ist, wird das vielleicht kennen: Man veröffentlicht etwas, von dem man überzeugt ist. Fakten und Grammatik stimmen, es liest sich flüssig, ist angemessen bebildert und man setzt den Beitrag guten Gewissens ins CMS. Passt alles soweit, also: „Publish“. Mit der Performance kann man zufrieden sein, der Beitrag wird gesehen, gelesen und geteilt. Die Inhalte scheinen es also in den News-Stream und damit auf den Radar eines recht großen Leserkreises geschafft zu haben. Rein statistisch gesehen also schon mal ein Erfolg. Dann fällt der Blick auf die Kommentare…

… und man traut seinen Augen kaum. Neben wenigen inhaltlichen Fragen gehen viele andere Postings über fachliche Bemerkungen weit hinaus. Da wird „gedisst“, gemobbt, beleidigt, man sieht sich auf einmal „Hate“ ausgesetzt. Als mir das zum ersten Mal passierte, war ich zunächst besorgt, dass doch irgendetwas nicht korrekt und der Grund für die negativen Reaktionen sein könnte. Meine Bedenken stellten sich als unbegründet heraus. Ich hatte alles richtig dargestellt – trotzdem haben einige Leser meinen Beitrag als fehlerhaft bezeichnet und sich herausgenommen, mich persönlich zu beleidigen.

Geht das nur mir so?!

Um mich rück zu versichern (und auch zu beruhigen) fing ich an, mich genauer umzuschauen. In vergleichbaren Kanälen mit ähnlichen Inhalten ging es ebenso zur Sache wie unter meinem Artikel. Da wurden unsinnige Kommentare gepostet, Hasstiraden gegen die Autoren losgelassen und diffamierende Dinge geschrieben, die man nicht einmal denken sollte. Als würden sich die Kommentatoren durch die Anonymität und Distanz, die durch diese Art der Kommunikation entstehen, enthemmt aus der Deckung trauen.

Der fehlende Augenkontakt macht’s

Was tun, fragte ich mich? Alles ignorieren und stillschweigend über mich ergehen lassen oder dagegen halten und mich im Zweifel immer noch weiteren Kommentaren ausgesetzt sehen? Einige Journalisten haben sich für Letzteres entschieden: Die Social Media-Redaktion der Tagesschau zum Beispiel forderte bei ihrer Aktion „Sag’s mir ins Gesicht“ Facebook-Nutzer live zum Video-Dialog auf. Viele Studien weisen darauf hin, dass User sich durch die unpersönliche Kommunikation zu Äußerungen hinreißen lassen, die sie sonst nicht aussprechen würden. Die Redaktion wollte also herausfinden, wer sich trauen würde, seine (laute) Meinung mit Augenkontakt auszusprechen. Diese Möglichkeit habe ich nicht, zumindest nicht in diesem Rahmen. Und ich weiß auch nicht, ob ich Lust hätte, den Leuten ins Gesicht zu sehen, die mich mit Worten derart beleidigt haben.

Durchatmen und abwägen

Für mich hat sich folgende Strategie bewährt: Nicht ständig nach Kommentaren schauen, schon gar nicht zwischendurch. Stattdessen lieber bewusst Zeit reservieren und sich darauf vorbereiten, was man jetzt gleich zu lesen bekommt: Tief durchatmen, in Ruhe lesen. Kommentare, die mich nur oberflächlich provozieren sollen, lasse ich meist unbeachtet. „Hate“ verhallt oft schneller, wenn er ignoriert wird. Ich reagiere wenn überhaupt dann nur auf die Kommentare, bei denen ich fachlich etwas richtig stellen möchte. Es ist natürlich traurig, dass man sich mit so etwas beschäftigen muss. Aber das bringt eine Kommunikationskultur, in der alle mitreden dürfen, vermutlich einfach mit sich. Wichtig ist, dass man seine eigenen Strategien entwickelt, wie man damit umgeht – als Autor und auch als Leser. Damit einem die Freude am Schreiben, an aufrichtiger und authentischer Kommunikation und Sprache nicht verdorben wird.

Wir LIEBEN Sprache.